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10 Jahre bei Twitter: Ein Jubiläum, das sich merkwürdig anfühlt

Warum fühlt sich dieses Jubiläum bei meinem Lieblingsnetzwerk so merkwürdig an? Ich bin seit diesem Monat 10 Jahre bei Twitter. Mein runder Twitter-Geburtstag löst in mir zwiespältige Gefühle aus.

Ende 2011 machte ich mich als Kommunikationsberaterin selbstständig. Kurz darauf meldete ich mir für ein Kundenprojekt bei Twitter an. Ich begann mit dem Social Media Community Management. Übrigens: Eine Dienstleistung, die ich heute nicht mehr anbiete.

Mein erster Eindruck von Twitter

Überwältigend, was viele Twitterati in 140 Zeichen so alles ausdrücken. Überwältigend die Geschwindigkeit, in der die Tweets durch meine Timeline rauschten. Häufig schneller als die bekannte Zeichentrick-Maus meiner Kindheit: Speedy Gonzalez. Unbekannte Abkürzungen und Zeichen, die ich neu lernen musste. 

Zugleich öffnete sich eine bereichernde Welt für mich. Als frisch aus dem Angestelltendasein in die Selbstständigkeit geschlüpfte Beraterin gefiel mir dieses Twitter:

  • Wissen wurde freigebig geteilt, – welch eine Wohltat im Vergleich zur häufig anzutreffenden Unternehmensattitüde des „Wissen ist Macht“.
  • Anfängerfehler wurden verziehen.
  • Kooperativer Ton: Das Twitterversum fühlte sich als ein guter Ort an.
  • Von interessanten Veranstaltungen bekomme ich heute noch interessante Einblicke und Impulse. Wenn ich nicht vor Ort bin, versorgt die Twitterwelt auf dem Event die Daheimgebliebenen.
  • Wer digital viel kommuniziert, ist gleichzeitig an einem Austausch im analogen Leben interessiert. Vor allem die Twitter-Nutzer waren da sehr erfindungsreich. Formate wie  #Twittwoch oder #Twittagessen zeug(t)en vom Vernetzungswillen der Twitterati. Mein Netzwerk habe ich so zahlreich und schnell erweitert, wie ich nie dachte, dass es möglich sei. Leider gibt es diese Events heute kaum noch.
  • Ich mag den besonderen Twitterhumor, der auch heute noch durch die Timeline blitzt. Manchmal schmunzle ich nur, manchmal muss ich herzhaft Lachen.

Twitter: Danke für – vormals – 140 Zeichen

Als ich meinen Twitteraccount 2011 anlegte, wurde Twitter noch als Micro-Blogging-Plattform bezeichnet. Diese Funktion als Blogersatz erfüllte Twitter für mich tatsächlich über ein Jahr. Ich hatte nämlich keine Website und keinen Blog. Als digitale Kanäle nutzte ich Facebook, Xing und Twitter. Und so wurde Twitter für mich das Übungsfeld für meinen späteren Blog.

Das Twittern war anfangs schwer gewöhnungsbedürftig. „Fasse Dich kurz“ der Gedanke, bevor die erste Taste überhaupt von mir gedrückt wurde. Daaamals mussten nämlich in den „nur“ 140 Zeichen viel reingepackt werden, z. B. @-Mentions (jawohl!) und #RTs. Externe Link-Shortener waren die besten Freunde eines Twitterers ;-).

Diese geringe Zeichenzahl hat manchmal nervig viel Zeit gekostet, um eine wichtige Aussage so prägnant zu formulieren wie möglich. Eine Schule, die ich jedoch nicht missen möchte. 

Wesentliche Änderungen 

Screenshot: Tweet von M. Seubert anlässlich Ihres 10-jährigen TwitterjubiläumsVon Beginn meiner Social Media Nutzung an war Twitter laaange Zeit meine Lieblingsplattform. Das lag zu meinen oben geschilderten ersten Eindrücken auch daran, dass ich Text sehr schnell aufnehmen kann .

Stets war ich mir bewusst war, dass ich bei Twitter lediglich zu Gast bin. Twitter kann seine Plattform gestalten kann, wie es mag. So gab es im Laufe der Jahre viele Veränderungen, – Veränderungen mit denen auch ich nicht immer happy war.

  1. Von 140 auf 280 Zeichen
    Über diese Twitter-Zeichenerweiterung habe ich zum Start im Jahr 2017 gebloggt. Ich fand diese Änderung nicht so gravierend. Schließlich fand – wie im verlinkten Blogpost geschrieben – schon vorher eine stille Erweiterung der nutzbaren Zeichen statt.
  2. Sortierung meiner Startseiten-Timeline
    In meiner Timeline hat Twitter lange Zeit die neuesten Tweets oben angezeigt. Bis es vor ein paar Jahren umstellte. Plötzlich sah man als Standardeinstellung die „besten Tweets“ als erstes und nicht die aktuellsten. Die Erklärung zur Startseiten-Timeline in der Twitter-Hilfe zeigt u. a., wie Sie zwischen den beiden Optionen umschalten. Habe ich mich an diese zwei Arten gewöhnt? Gezwungenermaßen!
  3. Aus dem Fav-Stern wird ein Herz
    Als das Facebook-Herz (i. e. „Mag ich/herzen“) bei Twitter den Fav-Stern (i. e. „Favorisieren/Lesezeichen“) ablöste, hatte ich tatsächlich Probleme. Ich nutz(t)e Twitter überwiegend für berufliche Themen und Vernetzung. So kam mir das Hinterlassen eines Herzens als unseriös und übergriffig vor. In der Anfangszeit der Umstellung reagierte ich in Konsequenz häufiger mit einem Kommentar als mit einem schnell geklickten Herzen. Doch frau gewöhnt sich an Vieles ;-). Diese Herz-Skrupel sind schon lange vergangen.

Twitter hat sich in den 10 Jahren meiner Mitgliedschaft in vielerlei Hinsicht gewandelt. Von der Textorientierung ausgehend ist es wie viele andere Social Media Plattformen multimedialer geworden: Text, Audio, Video, Gifs. Social Storytelling ist in vielen Formaten möglich. Waren zu meinem Start nur öffentliche Tweets möglich, kamen irgendwann die Direktnachrichten an eine Person oder ganze Gruppen hinzu.

Manche Änderungen habe ich ausprobiert, viele verworfen. Ich nutze Twitter für meine Belange hauptsächlich in der Text-Bild-Kombination und freue mich über die kleinen, persönlichen Gespräche in den Direktnachrichten.

Warum sich mein Verhältnis zu Twitter geändert hat

Nach wie vor schätze ich meine Timeline bei Twitter sehr. Ich erhalte wichtige Informationen, es geht dort meistens zivilisiert zu.

Schaue ich mir dagegen beim Einloggen die „Trends für Dich“ mit den gerade aktuellen Hashtags/Themen an, dann möchte ich manchmal ganz schnell die App schließen. Denn die Hashtags spiegeln die seit den letzten Jahren steigende Aufgeregtheit bis zum Hass wieder. Wie in der Gesellschaft allgemein sind auch bei Twitter der Diskurs schärfer, die Positionen unversöhnlicher geworden. 

Um zum Anfang dieses Blogposts zurückzukehren: Deshalb empfinde ich derzeit meine 10 Jahre bei Twitter als „merk“-würdig. Ich merke: Ich bin Twitter immer noch verbunden. Kurze, knackige Textaussagen lassen mich Inhalte schnell erfassen. Doch die zunehmende Selbstdarstellung, das Social Selling, die Aufgeregtheitsökonomie und die Kompromisslosigkeit stoßen mich mittlerweile ab. Und zwar so, dass ich mich manchmal für längere Zeit aus meinem Lieblingsnetzwerk zurückziehe. Lieblingsnetzwerk? Nein, so uneingeschränkt und aus vollem Herzen wie früher würde ich es so nicht mehr nennen.

Social Media Community Management biete ich seit ca. 4 Jahren aus den soeben genannten Gründen gar nicht mehr an. Beratung hingegen noch. Sehr lesenswert ist in diesem Zusammenhang der kürzlich erschienene Blogbeitrag meiner Kollegin Christa Goede „Social Media? Das kann weg!„. Sie hat dort so viele Gedanken zu Social Media geäußert, die ich teile. Daher wiederhole ich das hier nicht, sondern empfehle Ihnen einen Besuch in ihrem Blog. 

Verweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf das vor 4 Jahren erschienene Buch des Internetpioniers Jaron Lanier. Lanier präsentiert 10 Gründe, warum Du Deine Social Media Accounts sofort löschen musst (meine Rezension). Düster und leider aktueller als mir lieb ist. 

Werde ich weitere 10 Jahre bei Twitter sein?

Wohl eher nicht – würde ich antworten, wenn ich beruflich nicht Kommunikatorin wäre. Privat würde ich mir das Netzwerk wohl nicht antun. 

Wünschen darf ich mir für dieses noch junge Jahr und meine vielleicht nächsten 10 Jahre bei Twitter etwas:
Ich wünsche mir wieder mehr gegenseitige Wertschätzung und respektvollen Austausch von Meinungen.
Ich wünsche mir wieder mehr Vernetzung und Entdeckung von Gemeinsamkeiten. Ich wünsche mir wieder mehr gemeinsames Projekte-Schmieden. 

Ist das nur noch in geschlossenen Gruppen, in geschützten Räumen möglich? Ich hoffe nicht.

Herzliche Grüße aus Limburg
Ihre Manuela Seubert

 PS: Haben Sie einen Twitter-Account? Hat sich Ihre Einstellung gegenüber Twitter im Laufe der Zeit geändert?
PPS: August 2023 => X, früher Twitter: Sonst ändert sich für mich nix!??

(c) Manuela Seubert

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Daniel R. Schmidt

    Liebe Manuela,

    treffender hätte man die Veränderungen, die unser Lieblingsvögelchen über die Jahre durchlaufen hat, nicht zusammenfassen können. Sehr spannend finde ich Deine Empfindung beim Wechsel von Sternchen auf Herzchen, die ich so gravierend nicht empfunden habe. Der Hinweis auf die nötige berufliche Distanz macht aber absolut Sinn für mich. Auch wenn ich glaube, dass das persönliche Ich und das beruflich Ich auf den sozialen Netzwerken so oder so verwischen.

    Auch ich bin über 10 Jahre lang dabei. Und muss feststellen, dass Twitter verpasst hat, proaktiv und konsequent gegen Hass und Hetze vorgehen. Würde ich mich heute noch mal neu bei Twitter anmelden? Mit Sicherheit nicht mit der gleichen Überzeugung, mit der ich es damals getan habe. Allerdings muss ich feststellen, dass Twitter dieses Problem nicht exklusiv hat. Facebook ist schon lange im Hass untergegangen, Telegram ist zum Brutherd von allelei schwurbeligen und teils auch rechtswidrigen Inhalten geworden, und es wird nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Instagram, TikTok und Co. von gezielter Hassansprache überschwemmt werden. Es wird eine gesellschaftlich-rechtliche Frage bleiben, wie sehr wir diesen Hass und die Untergrabung von Demokratie noch akzeptieren werden.

    Alles Liebe und danke vielmals für diesen wichtigen Blogeintrag!

    Herzliche Grüße
    Daniel

    1. Manuela Seubert

      Liebe Daniel,

      danke für Deinen Kommentar und Sicht auf die Entwicklung der Social Media Plattformen.
      Ja, Twitter hat nicht allein dieses vielfältige Problem, sondern alle anderen digitalen Plattformen auch.
      In den letzten Jahren ist das Pendel zwischen Dystopie und Utopie mächtig in Bewegung geraten.

      Gruß aus Limburg
      Manuela

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