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Berufsverband: Ist eine Mitgliedschaft zeitgemäß?

Ende Juni 2018 nahm ich am Zukunftsforum (kurz: Zukufo) der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) teil. Am 2. Tag des Zukufo wurde in einer Podiumsdiskussion über Sinn, Funktion und Zukunft von Berufsnetzwerken gesprochen.

Auf diese Diskussion habe ich mich gefreut und sie mit Interesse verfolgt. Sie beschäftigte mich im Nachhall so, dass ich über meinen persönlichen Weg in die DPRG blogge.

Jahrzehntelang ohne Berufsverband

Vielleicht liegt es daran, dass ich eher Generalist als Spezialist bin. Vielleicht liegt es daran, dass ich jahrelang Angestellte war und über meine Arbeitgeber nie eine Firmenmitgliedschaft in einem Berufsverband kennengelernt habe. Mich hat nie jemand mit der Nase auf einen Berufsverband gestoßen, mir hat aber auch nichts gefehlt.

Bis ich mich als Einzelunternehmerin, als Beraterin für Kommunikation und Marken selbstständig gemacht habe. Einzeln, solo – dafür bin ich überhaupt nicht geschaffen. Mehrwert, Fortschritt und Weiterentwicklung entsteht für mich im Austausch mit anderen. Ich begab mich auf die Suche nach einer Organisation, in der ich mich mit meinen beruflichen Belangen zugehörig fühlen wollte.

Lokal im Umfeld meines Wohnortes Limburg trat ich zunächst einem Netzwerk bei, das allein aus selbstständigen und Führungs-Frauen in der Region Limburg-Weilburg-Diez (FRIDA e. V.) besteht. Doch wo sollte ich fachlich unterschlüpfen – und nicht nur lokal/regional?

In meiner mittlerweile drei Jahrzehnte umfassenden Berufstätigkeit war ich Unternehmensberaterin für Strategie und Marketing, hatte jahrelange Marktforschungserfahrung und machte einen kurzen Ausflug in die Leitung eines Vertriebsinnendienstes. Vor vielen Jahren wurden letztlich die Public Relations (PR) zu meinem offiziellen Tätigkeitsfeld – zuerst als Angestellte, mittlerweile als Selbstständige.

Wo ist der zu mir und meinen Erfahrungen passende Berufsverband? Marketing oder gar Marktforschung grenzt mich zu stark ein, ebenso wie ein Verband nur für Social Media oder Text. Mit über 40 Jahren kam ich bei der Aufnahme meiner Selbstständigkeit für die Wirtschaftsjunioren nicht mehr in Frage. Und den Fängen eines Empfehlungsnetzwerkes konnte ich – Gott sei Dank – noch schnell zu Beginn der ersten Kontakte entkommen.

Also, was suchte ich?

Ich wollte einem Berufsverband beitreten,

  • der mein Interesse für Kommunikation, Strategie, Digitalisierung und Marke (analog und digital) widerspiegelt
  • und ebenso mit Frauen und Männern besetzt ist.
  • Netzwerken und Unterstützung sollte stattfinden,
  • Weiterbildung das Profil abrunden.
  • Zudem muss er auch Veranstaltungen anbieten, die für mich aus dem Nassauer Land noch halbwegs gut erreichbar sind.

Deutsche Public Relations Gesellschaft e. V. (DPRG)

Meine Annäherung an die DPRG

Die DPRG wurde mir empfohlen und ans Herz gelegt. Schon als Angestellte habe ich sie von der Ferne wahrgenommen – eher als elitär und hierarchisch. Als damals Außenstehende mag ich viele Menschen aus Unkenntnis in eine Schublade gesteckt haben, doch so war es eben. Außerdem fühlte ich mich der BWL, Unternehmensberatung und dem Marketing näher als der PR, in der ich die journalistisch und publizistisch Ausgebildeten vermutete und nicht so einen “Multi-Diszipliner” wie mich. Der DPRG-Funken wollte einfach nicht überspringen.

Auf Empfehlung eines Mitglieds im DPRG-Bundesvorstand unternahm ich doch eine Annäherung. Ich besuchte das erste DPRG-Zukunftsforum im Jahr 2015 in Gelsenkirchen, damals noch als dem Verband skeptisch gegenüberstehendes Nicht-Mitglied. Inhaltlich war diese Veranstaltung top, das Netzwerken dagegen verlief steif und distanziert. Ein Blogartikel über dieses Zukufo brachte mir eine Gastmitgliedschaft ein – ich durfte ein halbes Jahr in die DPRG hineinschnuppern.

Dafür bin ich noch heute dankbar. Auch wenn man in sechs Monaten einen bundesweit agierenden Berufsverband nicht vollumfänglich einschätzen kann, erlaubte es mir doch einen Einblick in die Arbeit und die Aktivitäten.
Resultat: Ich trat 2016 in die DPRG ein. Mittlerweile engagiere ich mich in kleinem Rahmen für den Verband im Hauptausschuss.

Was ich an der DPRG schätze?

Wer schon länger bei mir reinliest, weiß wie sehr ich BarCamps und das Netzwerken über Social Media schätze. Sie geben mir die Möglichkeit, über den Schwerpunkt eines Kommunikators hinaus einzutauchen, unkompliziert Neues zu lernen und mein Netzwerk zu erweitern. Sie passen zu mir und meinem beruflichen Werdegang.

Letztlich fühle ich mich in der nunmehr seit 60 Jahren bestehenden DPRG trotzdem wohl. Meine Hauptgründe für den Beitritt:

  • Kodizes für einen Berufsstand zu etablieren, zu wahren und weiterzuentwickeln: Das geht nur über eine Vereinsstruktur, ein Einzelner oder ein lokale/regionale Organisation kann dies bundesweit nicht durchsetzen.
  • Aufgreifen und Wissensvermittlung von neuen PR-Disziplinen – wie das kürzlich erschienene Sammelwerk zur Akzeptanzkommunikation.
  • Austausch und Netzwerken mit Kommunikatoren in Unternehmen und Agenturen sowie Journalisten. Beispiel: Veranstaltung der Landesgruppe Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland bei der Firma Merck.
  • Vergünstigte Teilnahme am DPRG-Zukunftsforum und dem Abonnement von PR-Report und DPRG-Journal mit aktuellen Brancheninformationen.

Sicherlich bin ich zu einem glücklichen Zeitpunkt in die DPRG eingetreten. Kurz zuvor haben ein neuer Bundesvorstand und ein neuer Geschäftsstellenleiter die Geschicke des Verbandes übernommen. Seither nehme ich die DPRG lockerer, offener und moderner wahr, – was mir sehr gut gefällt.

Was mir in der DPRG fehlt?

Zurück zum Zukufo. Nach der oben erwähnten Podiumsdiskussion kam es spontan zu einer Session über die Zukunft der DPRG, die Thomas Scharfstädt (Ansprechpartner in der DPRG-Geschäftsstelle) anstieß. Im PR-Journal hat Annett Bergk diese Session im Absatz “DPRG zeigt sich selbstkritisch” mit den diskutierten Verbesserungspotentialen zusammengefasst.

So sehr ich mittlerweile das Zukunftsforum und Veranstaltungen bei Unternehmen und Agenturen vor Ort schätze, so zeitaufwändig sind sie für mich. Klar, das ist meiner persönlichen Wohn- und Arbeitssituation geschuldet: Limburg gehört zu den kleineren Mittelstädten im weniger besiedelten Westhessen. Zu den Veranstaltungen des Bundesvorstandes bzw. der Landesgruppe muss ich grundsätzlich einen Anfahrtsweg von mindestens einer Autostunde ins Rhein-Main-Gebiet in Kauf nehmen.

Bin ich das einzige DPRG-Mitglied, dem es so geht? Warum nicht einmal ein virtuelles Treffen von DPRG-Mitgliedern organisieren, in dem im kleinen Kreis und unabhängig von Arbeitskreisen ein Fachthema oder aktuelles Problem besprochen wird? Gerade für Mitglieder aus dem ländlichen Raum und Solo-Selbstständige wie mich kann das eine sinnvolle und zeitsparende Unterstützung sein. Ich bin gespannt, ob mein Vorschlag Gehör findet und umgesetzt werden kann.

Mein Fazit: Ja, ich halte einen Berufsverband für sinnvoll und zeitgemäß.

Könnte ich meinem jüngeren Selbst einen Rat geben, würde er lauten: “Netzwerke, was das Zeug hält – auch in einem Berufsverband”.

Mein Beitritt in einen Berufsverband fand spät statt und war sicherlich aufgrund meines Werdeganges kein gradliniger Weg.

Kodizes, wie die DPRG sie setzt, sind wichtig für die PR-Branche – und vielleicht zeitgemäßer denn je. Der Austausch und die Weiterbildung unter beruflich Gleichgesinnten schafft Zusammenhalt, hält auf dem Laufenden und erweitert das eigene Netzwerk enorm. Vereine sind per Vereinsgesetz gezwungen bestimmte Regularien zu befolgen: Das ist manchmal ermüdend, wirkt altbacken, ist aber nicht zu ändern.

Doch die Gestaltung des DPRG-Vereinslebens kann und darf trotz 60 Jahren gewachsener Gemeinschaft kritisch hinterfragt sowie lebendig und zukunftsorientiert gestaltet werden – so wie ich es derzeit in der DPRG wahrnehme.

Derzeit habe ich wohl in der DPRG meine berufliche “Heimat” gefunden :-).

Wie denken Sie über Berufsverbände? Sind Sie selbst Mitglied in einem? Welche Formate gibt es in Ihrem Berufsverband, um Mitglieder bundesweit zusammenzubringen?

Logo: © Deutsche Public Relations Gesellschaft e. V.

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