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Grafisch schreiben: 6+1 Tipps gegen Fließtext-Langeweile

Einer quält sich immer – der Schreibende oder der Lesende. Daran musste ich denken, als ich zwei Texte lektorierte: vor mir schwarzer Buchstabenbrei; in meinem Kopf schwere Ermüdungserscheinungen.

Obwohl wir schon seit Jahrzehnten E-Mails schreiben und Webtexte kein Neuland sind, treiben Fließtext-Ungetüme weiterhin ihr Unwesen: Gemeint sind Websitetexte von B2B-Unternehmen ohne Struktur oder E-Mails von Solo-Unternehmer:innen von epischer Länge – schick im EinheitsschwarzmitvielenWörternPunktenundKommasaberohneAbsätze-Design. Genau solche Stücke hatte ich auf dem Tisch.

Mein Hochdeutsch schickte ich kurz in die Pause und fluchte ordentlich auf Bayrisch. Half aber nix! Texte brauchen Struktur, damit sie leicht und angenehm zu lesen sind.

Lassen Sie uns Worte, Sätze, Absätze visuell gestalten – ohne ein einziges Bild oder Video einzufügen. Wie? Indem wir grafisch schreiben!

Was ist grafisches Schreiben?

Beim grafischen Schreiben strukturieren Sie längere Texte so, dass sie neben der inhaltlichen eine optische Qualität gewinnen. Damit erfasst Ihre Leserschaft direkt beim Überfliegen die wichtigsten Aussagen.

Die Wenigsten lesen Texte heute noch Wort für Wort. Damit müssen wir Textende uns leider abfinden. Vielmehr hangeln sich die Lesenden von einem visuellen Anker zum nächsten.

Lassen Sie uns unstrukturierten Fließtexten den Kampf ansagen – für mehr Lesevergnügen bei Ihrer Zielgruppe und Erfolg für Sie!

Und das geht so:

Tipp 1: Aussagekräftige Titel entfachen Leselust

Mit der Überschrift ziehen Sie Ihre Leserschaft in Ihren Text. Er sollte spannend, informativ, fetzig, unterhaltend sein – je nachdem, was Sie bezwecken und was Ihre Lesenden an Tonalität erwarten. Zugleich sollte Ihr Titel unbedingt nur das versprechen, was Sie später im Text liefern.

Ihre Texte sollten außerdem nicht nur eine knackige Überschrift haben, sondern auch mit bemerkenswerten Zwischenüberschriften zum Weiterlesen einladen.
Als Mini-Überschrift geben sie einen Ausblick darauf, was in den darauf folgenden Sätzen oder Absätzen zu lesen ist und weshalb es sich für die Lesenden lohnt, bei der Stange zu bleiben.

In Online-Texten werden Titel durch h1- bis h3-Überschriften gekennzeichnet: Sie unterscheiden sich in Schriftgröße und umgebenden Weißraum und setzen damit visuelle Anker.

Tipp 2: Aufzählungen – wissen, worauf’s ankommt

Ob Bulletpoints oder Zahlen: Aufzählungen in Texten springen uns direkt an. Verwenden Sie sie immer dann, wenn Sie etwas in Listen verpacken können.

Die Bulletpoints müssen nicht immer als schwarze Punkte ins Spiel gebracht werden. Abwechslung schaffen Sie mit Spiegelstrichen, Kästchen, Pfeilen, Häkchen oder auch mit Ihrem Logo in Miniatur-Format.
Nummerierungen ziehen immer. Weil wir bei nummerierten Aufzählungen gewohnt sind, dass wir z. B. eine ganz bestimmte Reihenfolge erklärt bekommen oder eine bestimmte Anzahl von Tipps erhalten.

Mit Aufzählungen rücken Sie Ihre Worte ins Scheinwerferlicht – frei nach “Licht aus, Spot an”. Ihre Leserschaft wird Ihre Worte aufmerksam lesen, denn Aufzählungen versprechen praktischen Mehrwert in knapper Form.

Tipp 3: Gefettete Schrift knallt ins Auge

Einzelne Wörter können Sie dem Lesenden mit Fettdruck quasi auf’s Auge drücken – wenn sie etwa Vorteile hervorheben wollen. Die Betonung liegt dabei auf einzelne oder wenige Wörter!

Übertreiben Sie es auf keinen Fall: Gefettete Textstellen sind herausragende Inseln, keine flächendeckenden Überschwemmungen.

Kleiner Exkurs:
Vereinzelt sehe ich noch, dass Menschen Dinge kursiv schreiben oder Wörter unterstreichen. Lassen Sie das lieber sein!
Kursiv geschriebene Wörter gehen neben den normal gesetzten Wörtern unter. Unterstrichenes steht in Online-Texten häufig für Verlinkungen. Ohne Link führt Unterstrichenes bei Ihren Online-Lesenden zu Verwirrung.

Tipp 4: Wenn Links sprechen

Nutzen Sie Verlinkungen zum grafischen Schreiben. Damit Ihre Links sprechen, sagen Sie mit Worten, was Ihre Leserschaft im verlinkten Text inhaltlich erwartet. Mit anderen Worten: Für Ihren Link-Text wählen Sie eine Kernbotschaft dieses verlinkten Textes.

Auf diese Art sind Link-Texte Teil Ihres Gesamttextes und zahlen auf Ihre Botschaft ein. Es versteht sich von selbst: Bringen Sie deshalb nur Links in Ihrem Online-Text unter, die auch mit Ihrem Thema zu tun haben. Ein Beispiel finden Sie bei Tipp 6.

Weisen Sie in Ihren Online-Texten bitte nicht mit dem Wörtchen “Hier” auf Ihre Verlinkungen hin. Also nie, nie, nie wie folgt: “Hier, hier und hier finden Sie weitere Infos”.
Damit sprechen Ihre Verlinkungen nicht!

Tipp 5: Texte einsperren – als visuelles Highlight

Wollen Sie eine Aussage betonen? Dann heben Sie diese in irgendeiner Form grafisch hervor! So wie es das Content Managementsystem Ihrer Wahl erlaubt.

Verpacken Sie diesen wichtigen Text als Blogquote, Tabelle oder Infobox. So sticht Ihr eingekastelter Text aus dem Fließtext heraus – garantiert.

Tipp 6: Setzen Sie Zeichen!

Kennen Ihre Texte nur Punkte und Kommas? Wenn ja, bitte, bitte ändern Sie dies sofort! Texte mit Punkte-Demonstrationen besitzen das Potenzial zur Bleiwüsten-Hölle mit Einschlafgarantie.

Die deutsche Sprache kennt wunderbare Satzzeichen, die dem geschriebenen Wort die Kraft der mündlichen Rede verleihen. Schade, dass viele Textende die lebensspendende Wirkung von Satzzeichen unterschätzen.

In einem früheren Blogpost habe ich beschrieben, welche 7 Satzzeichen Sie für ein leichteres Leseverständnis einsetzen können.

Tipp 6+1: Wichtige Wörter nach links

Dieser Tipp kommt ohne spezielle grafische Hervorhebung aus – ist aber dennoch wichtig. Stellen Sie Schlüsselwörter/-informationen in Headlines, Teasern und Absätzen an die richtige Positionierung, – d. h. nach links. Dort wirken sie für Ihre Leserschaft wie Sprungbretter in den nachfolgenden Text.

Eyetracking-Studien zeigten, dass unser Leseverhalten einem F-förmigen Muster folgt. Unsere Fixationspunkte beim Lesen liegen primär links. Finden wir dort interessante Impulse, wandern unsere Augen von dort nach rechts.

Der Check: Dann ist grafisches Schreiben gelungen!

Wenn Sie alle Tipps umsetzen, wirkt die ehemalige Fließtext-Wüste wie ein Wort-Springbrunnen. Doch wie erkennen Sie, ob Ihnen grafisches Texten durch die Nutzung der oben genannten visuellen Anker gelungen ist?

Dazu machen Sie einen einfachen Test:

  1. Lassen Sie Ihren Text liegen – mindestens für eine Stunde; oder am besten schlafen Sie darüber. Mit zeitlichen Abstand schauen Sie ihn wieder an.
  2. Jetzt scannen Sie den Text nach den grafischen Ankern, die Sie gesetzt haben, – genauso wie es Ihre künftige Leserschaft machen wird. Fliegen Sie über Titel und Zwischenüberschriften, lesen Sie die Aufzählungen und begutachten Sie die hervorgehobenen Textstellen.
  3. Und dann – schauen Sie weg. Ehrlich, nicht mogeln! Nicht auf den Text linsen.
  4. Fragen Sie sich: Geben meine visuellen Anker die wichtigsten Informationen meines Texts wieder?

► Wenn ja: Gratulation! Sie haben visuell geschrieben und damit Ihre Lesenden nicht in einer Buchstabenwüste verdursten lassen.

► Wenn nein: Dann hilft nur eine Überarbeitung. Verzagen Sie nicht, – stetig grafisches Schreiben bringt die Meisterschaft.

Abschließend: Es versteht sich von selbst, dass Sie einen grafisch geschriebenen Text zusätzlich mit Bildern oder Videos aufwerten können.

Herzlichst, Ihre Manuela Seubert


© Foto: Peter Seubert; Grafik: Manuela Seubert

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