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PR, Lüge und Kommunikationskodex

Wann hört die Menschheit auf zu meinen, dass PR-Leute lügen und doch nur erzählen, was Chefs ihnen diktieren?
Auf diese Frage eines meiner Newsletter-Abonnenten antwortete ich gedanklich spontan mit: Nie.

PR und Propaganda werden von der “Menschheit” zu schnell in den Topf Überredung gegen meinen Willen geschmissen und undifferenziert betrachtet. Für die oben angesprochene Menschheit kann ich nicht sprechen, schon meine Überlegungen zum deutschsprachigen Kulturraum sind von Vermutungen geprägt – als kleine Vorwarnung für meine persönlichen Gedanken.

Propaganda, PR und aktuelle Tendenzen

Propaganda fiel mir direkt ein – vielleicht auch weil PR und dieses Wort mit den Buchstaben “Pr” beginnen. Ich weiß, dieses Argument ist sehr dünn, aber eine “gefühlte” Verbindung ist meines Erachtens nicht von der Hand zu weisen.

Wenn Sie die Wikipedia zum Begriff Propaganda zu Rate ziehen und sich die ersten Zeilen von Propaganda durchlesen, erkennen Sie direkt, dass der Begriff Propaganda negativ konnotiert ist – auch wenn Propaganda irgendwann wertneutral Verbreitung von Ansichten bedeutet haben mag. In unserer deutschen Geschichte gab es im letzten Jahrhundert ein Propaganda-Ministerium, dessen Taten uns den Begriff Propaganda nicht in einem besseren Licht bewerten lassen.

Im Lauf der Zeit haben sich die Unternehmenskommunikatoren vom Propaganda-Begriff zurückgezogen. “Öffentlichkeitsarbeit” oder “Public Relations” sind heute für unsere Profession üblich.

Sachliche Texte

Spätestens seit die USA einen neuen Präsidenten haben, müssen wir uns wieder mit Begriffen wie fake news, alternative Fakten und – ich mag das gleich folgende Wort gar nicht tippen, stelle ich gerade fest – Lügenpresse auseinander setzen.
Unternehmenslenker, die es mit der Wahrheit gegenüber Kunden und Öffentlichkeit nicht genau nehmen und Produkttest manipulieren, lassen zusätzlich Ansehen der und Vertrauen in die öffentlichen Vertreter eines Unternehmens/ Organisation/Regierung sinken – und dazu zählen auch die Presse- und Regierungssprecher, die Presseabteilungen und die Leiter der Unternehmenskommunikation.

Wer sich mit der Profession eines Public-Relations-Fachmannes oder -Fachfrau nicht ausgekennt, bei dem mag sich schnell der Eindruck verfestigen, dass PR-Leute lügen oder lediglich Befehlsempfänger ihrer Chefs bei der Verbreitung von Worten sind.

Manchmal habe ich zudem das Gefühl, dass mit der gestiegenen Vorliebe zu emotionalen Überschriften sowie dem Sinken der Aufmerksamkeitsspanne ein nüchtern-sachlicher Text schon verdächtig rüberkommt – aber vielleicht sehe ich da jetzt zu schwarz?

Deutscher Kommunikationskodex

Im deutschen Kommunikationskodex sind die Werte Transparenz, Integrität, Fairness, Wahrhaftigkeit, Loyalität und Professionalität verankert. Jeder dieser zunächst abstrakt wirkenden Werte wird in 15 Sätzen präzisiert.

Im Rahmen dieser freiwilligen Selbstverpflichtung üben eine Vielzahl von PR-Fachleuten in Agenturen, Unternehmen und Organisationen ihren Beruf aus. Auch mein Berufsverband die Deutsche Public Relations Gesellschaft(DPRG) hat in seiner Satzung in §1, 2c den deutschen Kommunikationskodex verankert. Damit bin ich als Mitglied verpflichtet, diesen ethischen Regeln unseres Berufsstandes zu folgen.

Die Einhaltung des Kodex überwacht der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR), der von der DPRG, der Gesellschaft Public Relations Agenturen e.V. (GPRA) und dem Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) getragen wird. Der Rat hat die Aufgabe öffentliches Fehlverhalten gegenüber den Öffentlichkeiten zu ahnden.

Machen wir Kommunikatoren etwas falsch?

Der Rat veröffentlicht tatsächlich Rügen, wenn PR-Schaffende sich nicht an den Kodex halten.

Erstens verbreiten wir damit das Fehlverhalten dieser schwarzen Schafe. Auftraggeber schreckt einerseits ein solches Verhalten ab, Budgets werden gestrichen oder gar nicht vergeben. Auf der anderen Seite befeuern wir damit zusätzlich die negative Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber unserem Berufsstand.

Zweitens unterlassen wir es – zumindest in meiner Wahrnehmung – zu berichten, wenn wir nach dem Kodex gehandelt haben. Auch ich habe es in den Jahren meiner Selbstständigkeit nicht veröffentlicht, wenn ich einen Auftrag abgelehnt habe, weil ich am Wahrheitswillen eines potentiellen Kunden gezweifelt habe. Selbst wenn wir PR-Leute dies in Zukunft machen würden – wäre das den Redaktionen eine News wert, um ein anderes Licht auf die PR zu werfen? Ich bezweifele es – das schwarze Schaf bringt mehr Reichweite als die weiße Herde.

Was könnten wir tun?

Ich wage die These, dass 95-98% der deutschen Bevölkerung nicht weiß, dass es den Deutschen Kommunikationskodex gibt. Vielleicht müssen wir PR-Menschen unsere Zurückhaltung ein wenig aufgeben.

  • Sollten wir vielleicht mehr ins Rampenlicht treten und proaktiv über die positiven Seiten der PR und unserem ethischen Handeln reden, schreiben, posten, twittern?
  • Vielleicht sollten wir Konflikte mit unserem Arbeitgeber oder unseren Kunden unter Hinzuziehen des deutschen Kommunikationskodex lösenCase Studies dazu könnten ein anderes Licht auf das Handeln von PR-Leuten werfen.
  • Und ich als Quereinsteigerin in diese Profession frage mich gerade: Wird in den PR-Aus- und -Weiterbildungen und bei Berufseinsteigern in Unternehmen und Agenturen explizit auf diesen Kodex hingewiesen und darüber gesprochen?

Mein Fazit: Wann?

Mit meinen Betrachtungen habe ich die 10-Minuten-Grenze bei der Erstellung dieses Blogposts deutlich überschritten. Aber dieses Thema ist mir zu wichtig, um es nur mit ein paar kurzen Gedankensplittern zu bestücken.

Zurück zur Ausgangsfrage:
Wann hört die Menschheit auf, PR-Fachleute als Lügner wahrzunehmen?
Ich fürchte – nach wie vor und bis auf Weiteres – “nie”.
Optimistischer lautet meine Antwort: “In ferner Zukunft”.

PS.
Dies ist Beitrag 17 der 30-Tage-Challenge für den #10MinBlog.

PPS.
Da dieser 17. Beitrag lang wurde und damit zeitintensiv war, gebe ich mir fürs Wochenende frei und zähle ihn gleichzeitig als Beitrag 18 und 19!

PPPS (7.9.2018). Die #10minBlog-Challenge ist erkenntnisreich zu Ende gegangen.

(Aktualisierung am 27.9.2018:)
Meike Leopold hat die Blogparade Haltung in der Kommunikation: Fake oder echter Trend? gestartet. Auf Nachfrage hat Meike zugestimmt, dass sie diesen vor ihrer Blogparade veröffentlichten Blogartikel aufnimmt – Danke, Meike.
Diese interessante Blogparade unter dem Hashtag #Kommunikationmithaltung läuft vom 20.9. bis zum 22.10.2018 – reichlich Zeit für Sie, selbst daran teilzunehmen ;-).

(Aktualisierung am 19.11.2019:)
Meike Leopolds Blogparade ist vorüber. Ihre Zusammenfassung Haltung in Unternehmen – nicht nur ein Job für die Kommunikation von mehr als 20 Beiträgen ist lesenswert.

Grafik: © Manuela Seubert

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