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Vielleicht hilft Ihnen beim Texten das „Für“-Wort

Wenn ich mit einer Person über ihre Textschwierigkeiten spreche, höre ich nicht selten:
“Ich kann wunderbar in Vorträgen oder Teamschulungen mein Fachwissen rüberbringen, doch sobald ich es niederschreibe … wird es zum Fachchinesisch, verkopft und unverständlich.”

Wem das Schreiben nicht so liegt, verkrampft beim Texten. Aus der verständlichen mündlichen Rede entsteht – wie aus dem Nirwana – ein Bürokratendeutsch mit erhöhtem Gähnfaktor oder Buzzword-Bingo-Potential.

Dabei ist es egal, ob …

  • … es sich um kurze oder lange Texte handelt,
  • … Sie eine E-Mail an Ihren Vorgesetzten oder einen Social-Media-Post für den Firmenaccount schreiben,
  • … Ihr Wissen in einen Artikel für eine Fachzeitschrift fließt oder im Intranet veröffentlicht wird.

 

Situation des Schreibwilligen

Vor dem eigentlichen Schreiben eines Textes hat der Schreibwillige meist schon viel Zeit mit dem Textthema verbracht.

Seine Gedanken lauten so oder so ähnlich:

  • “Ich habe für das Thema ausführlich recherchiert”
  • “Wo finde ich noch Information zum Thema?”
  • “Ich analysiere noch diese Studie als Hintergrundwissen”
  • “Welche Textform wähle ich: White-Paper oder Blogartikel?”
  • “Wie gliedere ich den Text?”
  • “Ich nehme mir drei Stunden Zeit für den Text”
  • “Wie drücke ich mich aus, damit ich kompetent wahrgenommen werde?”
  • “Ich schreibe jetzt”

Haben Sie es bemerkt?

Alle Gedanken kreisen um das „Ich„. Zunächst ist das vollkommen normal im Rahmen der Materialsammlung und einer intensiven Einarbeitung in ein Thema. Bevor Sie auch nur ein Wort schreiben, müssen Sie Abstand vom “Ich” gewinnen.
Schaffen Sie das nicht, schreiben Sie verkopfte, langweilige und unverständliche Texte.

 

Das helfende “Für”-Wort

Wenn Sie diese Situation kennen, empfehle ich Ihnen mit dem Wörtchen “Für” die Schreibtischseite zu wechseln.

Sie schreiben nämlich nicht um des Schreibens Willen: Sie schreiben FÜR jemanden. Sie recherchieren, analysieren und denken nach – FÜR jemanden. Sie verlassen das “Ich schreibe …” und das “Denken rund um mein Thema” und wenden sich wieder Ihrem Leser zu.
Damit Sie FÜR Ihren Leser Sachverhalte klar darlegen und Ihr Text FÜR ihn lesbar ist.

 

Wie stellen Sie sich auf Ihren Leser ein?

Bevor Sie das erste Wort tippen, stellen Sie sich Ihren Leser möglichst konkret vor:

  • In welcher Welt lebt er?
  • Alter? Ausbildung? Beruflicher Werdegang?
  • In welcher Situation befindet er sich gerade?
  • Wie ist sein Tagesablauf? Unter welchen Umständen erhält er den Text? Wie ist sein Aufnahmevermögen?
  • Welche Verantwortung hat die Person? Welchen Wert hat dieser Text im Rahmen dieser Verantwortung?
  • Textspezifisch: Wofür benötigt er meinen Text? Wie viel Vorwissen hat er zum Thema? Mit was können Sie dem Leser am meisten dienen? Wie viel Zeit steht ihm zum Lesen zur Verfügung? 

Sollten Sie das 10-Finger-Tastaturschreiben beherrschen, können Sie mit geschlossenen Augen Ihre an eine konkrete Person gerichteten “mündlichen” Worte blind eintippen.

 

Leser-Persona konkret visualisieren

Haben Sie eine heterogene Zielgruppe für Ihren Text, dann vergegenwärtigen Sie sich diejenige Person mit dem wenigsten Vorwissen und “schreib-reden” Sie in lockerem Plauderton mit diesem Menschen.

Am besten wählen Sie eine konkrete Person aus, die Sie selbst kennen und die Ihren Text auf jeden Fall lesen wird. Haben Sie ein Foto von ihr, hängen Sie es sich beim Schreiben sichtbar auf. Manche nutzen auch ein Foto der Eltern oder Großeltern – FÜR sie unkompliziert zu schreiben, fällt vielen Menschen leichter.

 

Lassen Sie mich wissen, ob Sie mit diesem “Für”-Gedanken etwas lockerer zu schreiben begonnen haben.

Ihre Manuela Seubert 

Zeichnung: © Manuela Seubert

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